Freitag, 19. Juni 2020

Vom Buch ins Fernsehen, Teil 3 - Die Geschichten

Als letztes möchte ich noch über einen ganz wichtigen Aspekt der Fernsehserie erzählen: die Entstehung der Geschichten.

Von den 52 Folgen basieren zwölf direkt auf meinen Bilderbüchern. Das heißt, vierzig kleine Abenteuer mussten ganz neu erfunden werden. Und auch die zwölf existierenden Geschichten mussten noch etwas an das neue Medium angepasst werden.

Sehr interessant finde ich den Arbeitsprozess bei der Entwicklung der Geschichten. Als erstes gibt es für jede Folge eine Art Ideen-Skizze, die Storyline, in der die grundsätzliche Handlung in wenigen Sätzen erzählt wird. Das hat für alle 52 Folgen mit großem Einfallsreichtum die Head Autorin Lisa Clodt in Zusammenarbeit mit Regisseur Dieter Riepenhausen, Produzentin Sunna Isenberg sowie der Redaktion des Senders gemacht. Diese Storyline wird dann mehrmals diskutiert und gegebenenfalls noch verändert. Da in diesem Stadium noch nicht viele Details festgelegt sind, sind Änderungen noch gut möglich, ohne dass zu viel Arbeit verloren geht.

Hier zum Beispiel eine Stelle aus einer meiner liebsten neuen Folgen, in der Lieselotte den Postboten mit einem Übernachtungsbesuch überrascht:
(„Millie" war in der Drehbucharbeit der englische Platzhalter-Name für Lieselotte. Da dann aber ein Name mit der gleichen Silbenzahl wie Lieselotte nötig war, sind wir später zu „Henrietta" übergegangen.)


Aus der Storyline wurde dann von einem Autorenteam aus zwölf AutorInnen ein etwas ausführlicheres Treatment erstellt. Auch das Treatment wird mehrmals besprochen und optimiert. So wird die gleiche Stelle dann dort von den Autoren Claudia Kaiser und Martin Lickleder beschrieben:


Und schließlich wird daraus dann ein ganz klassisches Drehbuch (für eine siebenminütige Folge etwa acht bis neun Seiten lang) mit allen Details, Angaben zum Schauplatz und den Dialogen bzw. dem Muhen :o)
So sieht das dann dort aus:



Um vor der zeitaufwändigen Animation schon einmal möglichst viele Fragen der Umsetzung zu klären - die Kameraperspektive, das Timing und auch schon ganz viel „Schauspielerei” - gibt es als nächstes ein ausführliches animiertes Storyboard oder Animatic.
Dort kann man sich Lieselottes Überraschungs-Übernachtungsbesuch schon gut vorstellen:
(Sehr nett fand ich, dass im Animatic die Dialoge als Platzhalter zunächst einmal von mutigen Mitarbeitern der Produktionsfirma gesprochen wurden. Besonders Regisseur Dieter Riepenhausen hat dabei viel Talent bewiesen, z.B. als Postbote, Ladenbesitzer und auch als Kieselkötters Käthe...)


Erst als letzten Schritt gibt es dann die fertige Animation zu sehen. Dort wird die Geschichte dann richtig lebendig:
Wie Ihr Euch vorstellen könnt, ist das ein ganz schöner Aufwand, da alle 52 Folgen diese verschiedenen Arbeitsschritte durchlaufen. Dabei wird natürlich parallel an mehreren Folgen gearbeitet, die sich in den unterschiedlichen Stadien befinden.

Den ganzen Prozess konnte ich wie gesagt als Berater begleiten, wobei es meine Hauptaufgabe war, darauf zu achten, dass sich alle Figuren glaubhaft und ihrem Wesen nach verhalten, und alles quasi nah am „Kosmos“ der Buchvorlagen bleibt.

Besonders spannend ist natürlich für mich, wie die Szenen im Fernsehen aussehen, die ich aus meinen Bilderbüchern kenne:
Zum Beispiel, wie Lieselotte nachts im Hühnerstall vorbeischaut ...

... oder ein Picknick im Baum macht.

Sehr amüsant - im Buch wie im Fernsehen - ist Lieselottes Versuch, im Zimmer der Bäuerin zu schlafen.


Und auch die neuen Abenteuer sind schön geworden:
Zum Beispiel versucht sich Lieselotte als Hobby-Fotografin, ...

... als Piratenkapitän ...

und als Ballerina.

Mit durchwachsenem Erfolg :o)

In einer anderen Folge verfolgt sie ein spannendes Radio-Hörspiel. Erst mit Huhn ...

... und dann zusammen mit dem Postboten.


Es war für mich sehr spannend und interessant, das Entstehen der Fernsehserie in den letzten fünf Jahren mitzuerleben. Und der Austausch mit den Mitwirkenden hat auch mir viele Anregungen für meine eigene Arbeit gegeben.

Einige Male konnten wir uns auch persönlich im Produktionsbüro von WunderWerk in Hamburg zusammensetzen und Entwürfe und Geschichten diskutieren.
Es war eine Freude, dabei die verschiedenen Beteiligten kennenzulernen. Neben denen, die ich in den Posts schon erwähnt habe, waren das z.B. die Produzentinnen Sunna Isenberg, Gisela Schäfer und Heike Tüselmann, die Produktionsleiterin Mandy Färber, die Produktionskoordinatorin Dorothee Schmidt, der Skriptkoordinator Jens-Florian Groß und der Storyboard Supervisor Dietmar Kremer.
Und auch meine Lektorin Bettina Herre hat die Arbeiten durchgehend begleitet.

Und beim ZDF in Mainz (wo Carmen Daut und Marcus Horn als Redakteure die Serie betreut haben) konnten wir den Ausblick auf das Sendebetriebsgebäude und den „Platz der Köpfe“ genießen. Fast so schön wie ein Picknick im Baum ;o)

Ich hoffe, der kleine Einblick in die Entwicklung der Fernsehserie war auch für Euch interessant. Ich selber fand schon als Kind Making-ofs immer spannend. Vielleicht geht das ja dem Einen oder der Anderen ähnlich :o)


Copyright für die Abbildungen in diesem Post:
Für die Vorarbeiten zur Fernsehserie:
© 2020 WunderWerk / Fabrique d’Images
Für die Bilder aus der Fernsehserie:
© 2020 ZDF / WunderWerk / Fabrique d’Images
Für die Illustrationen aus den Lieselotte-Büchern:
© 2020 Verlag FISCHER Sauerländer

Donnerstag, 11. Juni 2020

Vom Buch ins Fernsehen, Teil 2 - Lieselottes Welt

Ein wichtiger Teil der Lieselotte-Geschichten ist neben den Figuren auch deren Zuhause. In den Bilderbüchern versuche ich immer, den Bauernhof als interessanten und etwas verschrobenen Ort zu zeigen, an dem man sich gerne aufhalten und hinter jede Ecke gucken möchte.

Daher freue ich mich sehr, wie stimmig die Schauplätze in der Fernsehserie den Bilderbüchern nachempfunden sind – einen großen Anteil daran hatte der Set Designer Norbert Maier:
Lieselottes Stall zum Beispiel.

Oder das Schlafzimmer der Bäuerin.

Und sogar das Badezimmer :o)

Als kleine Hilfe für die Designer der Fernsehserie hatte ich ihnen auch eine Übersicht des Bilderbuch-Hofs gezeichnet.

Und musste mir selber mal genau überlegen, wie eigentlich das Bauernhaus innen aufgebaut sein könnte ...


Außerdem habe ich viele der Fotos gezeigt, die ich in den letzten Jahren gemacht habe und immer wieder als Anregung für meine eigene Arbeit verwende.
So tauchen die Lampe und Tapete vom Bauernhof meines Onkels nach ihren Auftritten in den Bilderbüchern nun auch in der Fernsehserie auf.

Und seine Werkstatt ebenfalls :o)

Aber auch von außen ist der Bauernhof wunderbar getroffen:


Sehr gerne mag ich auch die Entwürfe für das Dorf:
Auch dort habe ich den Designern meine eigenen Vorlagen gezeigt (in „Lieselotte sucht“ sieht man ja immer nur Teile der Häuser) und sie haben das ganz wundervoll umgesetzt.

Sehr gefreut habe ich mich auch, mit wie viel Charme und Erzählfreude die Designer dann auch einige Orte neu erfunden haben, die es in den Büchern nicht (oder nur teilweise) zu sehen gibt.
Zum Beispiel das Wartezimmer in der Tierarztpraxis.

Oder der Flur und die Küche des Postboten.

Es haben zu meiner Freude also auch in der Fernsehserie alle ein schönes und verschroben-sympathisches Zuhause bekommen :o)


Copyright für die Abbildungen in diesem Post:
Für die Vorarbeiten zur Fernsehserie:
© 2020 WunderWerk / Fabrique d’Images
Für die Bilder aus der Fernsehserie:
© 2020 ZDF / WunderWerk / Fabrique d’Images
Für die Illustrationen aus den Lieselotte-Büchern:
© 2020 Verlag FISCHER Sauerländer